Berliner Forscher ermitteln ein Schlüsselprotein für Lernen und Gedächtnis

28.06.2016

Der Mensch lernt sein Leben lang. Grundlage dafür ist die synaptische Plastizität, aktivitätsabhängige Veränderungen in den Verbindungen zwischen Nervenzellen. Eine aktuelle Untersuchung von Wissenschaftlern der CharitéUniversitätsmedizin Berlin weist jetzt auf die zentrale Rolle eines bestimmten Proteins für die Plastizität hin. Die Ergebnisse der Studie sind in der Zeitschrift eLife* veröffentlicht.

Die als Plastizität bezeichnete Veränderung von neuronalen Verbindungen, den Synapsen, bildet die Grundlage für Lernen und Gedächtnis. Dabei kommunizieren die Nervenzellen eines neuronalen Netzwerks in einer zeitlich präzise aufeinander abgestimmten Art und Weise. Unklar ist, ob die dabei entstehenden synchronisierten, rhythmischen Aktivitätsmuster, sogenannte Netzwerkoszillationen, allein bereits ausreichen, um synaptische Plastizität zu induzieren. Von dieser Fragestellung geleitet, testeten Neurowissenschaftler des Instituts für Neurophysiologie und des Exzellenzclusters NeuroCure in einem innovativen Ansatz den Effekt von Netzwerkoszillationen im Gamma Frequenzbereich auf die Plastizität neuronaler Verbindungen.

Signale erregender Neurone führen im Allgemeinen zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass die kontaktierte Nervenzelle ebenfalls aktiv ist, während hemmende Neurone diese Wahrscheinlichkeit reduzieren. Die Wissenschaftler um Prof. Tengis Gloveli konnten nun zeigen, dass Gamma-Oszillationen im Hippocampus, einem zentralen Bereich des Gehirns für Lernen und Gedächtnis, insgesamt einen verstärkenden Effekt auf nachfolgende Netzwerkaktivitäten ausüben. Parallel hierzu fanden die Forscher eine verstärkte Aktivierung der erregenden Neurone und konnten für diese plastischen Veränderungen ein spezifisches Rezeptorprotein, den metabotropen Glutamatrezeptor 5, als Schlüssel identifizieren. Seine pharmakologische Inaktivierung verhindert sowohl die Veränderung der Netzwerkaktivität, als auch die synaptische Plastizität. Im Gegensatz hierzu zeigt die Erregbarkeit von zwei Typen hemmender Interneurone einen gegensätzlichen Effekt: Interneurone, deren Aktivität Gamma-Oszillationen unterstützen, wurden stärker aktiviert als solche, deren Aktivität im Konflikt zu Gamma-Oszillationen stehen. Sie zeigen eine verringerte Aktivierung.

„Gamma Oszillationen erweisen sich damit als grundlegender Mechanismus, um zell-spezifisch plastische Veränderungen eines neuronalen Netzwerks zu erzeugen“, erläutert Prof. Tengis Gloveli, Leiter der Arbeitsgruppe „Zell- und Netzwerkphysiologie“ am Institut für Neurophysiologie. „Diese Veränderungen reflektieren die Aktivität des Netzwerks und basieren auf dem erregenden metabotropen Glutamatrezeptor 5 als Schlüsselmechanismus“, fügt er hinzu.

Fehlfunktion und -regulation des metabotropen Glutamatrezeptors 5 wurden bereits bei einigen schweren neurologischen Krankheitsbildern wie der Schizophrenie, bei autistischen Erkrankungen und dem Down-Syndrom identifiziert. Die vorliegende Studie weist auf eine zentrale Rolle dieses Rezeptors für die synaptische Plastizität hin und baut damit eine Brücke zur grundlegenden Funktion von Lernen und Gedächtnis. Weitere Studien müssen nun zeigen, wie die unterschiedlichen Zelltypen die synaptische Plastizität beeinflussen und welchen Effekt dies auf die Gedächtnisbildung hat.

Originalveröffentlichung:
*Zarnadze S, Bäuerle P, Santos-Torres J, Böhm C, Schmitz D, Geiger JR, Dugladze T, Gloveli T. Cell specific synaptic plasticity induced by network oscillations. eLife 2016 May 24;5. pii: e14912
 
Quelle:
Pressemitteilung der Charité
 
Kontakt:
Prof. Dr. Dr. Tengis Gloveli
Cellular and Network Physiology Group
Institut für Neurophysiologie
Charité - Universitätsmedizin Berlin
t: +49 30 450 528 214
 

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