ERC Proof-of-Concept-Förderung für Charité-Neurowissenschaftler
30.05.2022
Menschen mit Erkrankungen des Nervensystems zu neuer Lebensqualität und sozialer Teilhabe zu verhelfen, ist Ziel und Anliegen des Einstein-Professors Dr. Surjo Soekadar. Um dies zu erreichen, arbeitet er mit seinem Team an der Entwicklung und Erprobung ausgefeilter Neurotechnologien, darunter Technologien zur Neuromodulation und sogenannte Gehirn-Computer-Schnittstellen. Prof. Soekadar leitet den Forschungsbereich Translation und Neurotechnologie und die Arbeitsgruppe Klinische Neurotechnologie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Campus Charité Mitte. Ergänzend zum laufenden ERC Starting Grant soll nun eine Proof-of-Concept-Förderung des Europäischen Forschungsrates in Höhe von 150.000 Euro dazu beitragen, einen vielversprechenden Ansatz zu verfeinern und zur Anwendungsreife zu bringen.
Neurotechnologien sind technische und computergestützte Werkzeuge, die Hirnsignale analysieren oder in der Lage sind, Hirnaktivität gezielt zu verändern. Dazu gehören auch Gehirn-Computer-Schnittstellen, die dazu beitragen, Kommunikation oder Bewegung von Gelähmten in Teilen wiederherzustellen. So ermöglichten Prof. Soekadar und sein Team beispielsweise Querschnittsgelähmten, mithilfe eines durch Gedanken gesteuerten Hand-Exoskeletts, einer Art Stützstruktur, erstmals wieder selbstständig zu essen und zu trinken. Ein weiteres Arbeitsfeld des Neurowissenschaftlers ist der Einsatz dieser Technologien bei der Behandlung psychischer Erkrankungen, zum Beispiel Depression, Sucht oder Angststörungen. Bei diesen Erkrankungen können verschiedene Hirnfunktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis oder Emotionskontrolle beeinträchtigt sein.
Auch in der Folge eines Schlaganfalls, Unfalls oder einer Autoimmunerkrankung können Prozesse im Gehirn eingeschränkt sein. Hierfür entwickelt das Forschungsteam um Prof. Soekadar im Rahmen eines ERC Starting Grants alltagstaugliche Gehirn-Computer-Schnittstellen, die Hirnaktivität in Echtzeit auslesen und interpretieren können. Individuelle Aktivitätsmuster, die mit einer Verbesserung gestörter Hirnfunktionen einhergehen, werden anschließend durch elektrische oder magnetische Stimulation auf nicht-invasive Weise verstärkt. Gehirn-Computer-Schnittstellen in Kombination mit Hirnstimulationsverfahren sollen zukünftig einen wichtigen Beitrag zur effektiven und nebenwirkungsarmen Behandlung einer Reihe von Erkrankungen leisten.
Modell eines neuartigen Geräts zur nicht-invasiven Hirnstimulation. Auch tiefe Hirnareale sollen präzise angeregt und damit Hirnfunktionen verbessert werden. © Charité l Soekadar.
Zwar sind die Leistungen aktueller nicht-invasiver Verfahren wie der transkraniellen elektrischen und magnetischen Stimulation (tES/TMS) vielversprechend, doch sind sie nicht in der Lage, die Aktivität verteilter und tiefer Hirnareale millimeterpräzise und millisekundengenau zu modulieren. Um diese Areale zu erreichen, ist aktuell ein neurochirurgischer Eingriff zur exakten Platzierung von Elektroden erforderlich. In ihrem Proof-of-Concept-Projekt haben sich die Forschenden vorgenommen, für diese Probleme eine Lösung zu finden. Sie werden ein nicht-invasives Verfahren erproben, das millimetergenau auch tieferliegende Regionen des Gehirns aktivieren kann. Insbesondere werden sie untersuchen, ob eine spezielle Anpassung der Magnetfelder dazu führt, dass nur bestimmte Zelltypen angeregt werden. Hervorgegangen aus vorangegangen Arbeiten im ERC Starting Grant und unterstützt durch das NeuroCure / SPARK-BIH Programm ist bereits ein erster Prototyp für die nichtinvasive Neuromodulation durch Magnetfelder entstanden, der es jetzt ermöglicht, sehr genau einzelne Hirnregionen anzusprechen. Um das präzise Stimulationsverfahren in die zukünftige Patientenversorgung integrieren zu können, wurde bereits ein internationales Patent auf den Weg gebracht.
Kurzvita Prof. Dr. Surjo R. Soekadar
Nach seinem Medizinstudium an den Universitäten Mainz, Heidelberg und Baltimore wurde Surjo Soekadar im Jahr 2005 am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim promoviert. Neben seiner Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Tübingen verbrachte er einen dreijährigen Forschungsaufenthalt am US-amerikanischen National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS) in Bethesda, Maryland. Nach seiner Rückkehr nach Tübingen übernahm Surjo Soekadar die Leitung der Arbeitsgruppe „Angewandte Neurotechnologie“ und wurde 2017 habilitiert. 2018 wurde er mit Hilfe der Einstein Stiftung Berlin zum deutschlandweit ersten Professor für Klinische Neurotechnologie an die Charité – Universitätsmedizin Berlin berufen.
Quelle: Pressemitteilung der Charité
Kontakt:
Prof. Dr. med. Surjo R. Soekadar
Leiter FB Translation und Neurotechnologie,
Leiter AG Klinische Neurotechnologie
Charité - Universitätsmedizin Berlin
10117 Berlin
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