Hinweise auf veränderte Gehirnentwicklung des Ungeborenen
08.08.2017
Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben nachgewiesen, dass aufgrund erhöhter Entzündungswerte während der Schwangerschaft Veränderungen im Gehirn des Ungeborenen entstehen können. Diese wiederum könnten das Risiko der Ausprägung von psychiatrischen Erkrankungen steigern. Insbesondere das Kardinalsymptom dieser Erkrankungen, eine eingeschränkte Impulskontrolle, scheint sich zu häufen, wenn mütterliche Entzündungswerte während der Schwangerschaft erhöht sind. Die Ergebnisse der aktuellen Studie sind im Fachmagazin Biological Psychiatry* veröffentlicht.
Biologische Veränderungen der Entzündungsparameter während einer Schwangerschaft können mit einer Infektion in Zusammenhang stehen, aber auch in anderen Situationen auftreten, beispielsweise bei Übergewicht oder psychischem Stress. Eine Erhöhung der Entzündungswerte kann dabei nach neuesten Erkenntnissen zu Veränderungen im Gehirn des sich entwickelnden Kindes führen. Wie Wissenschaftler um Prof. Dr. Claudia Buß festgestellt haben, weisen diese Neugeborenen eine vergrößerte Amygdalaregion im Gehirn auf, eine Region, die bei emotionalen Bewertungen und dem Wiedererkennen von Situationen eine wichtige Rolle spielt. Eine veränderte Vernetzung der Amygdala mit anderen Hirnregionen wurde ebenfalls beobachtet.
In Kooperation mit der University of California Irvine konnte das Forscherteam um Prof. Buß knapp 90 Frauen im ersten Trimenon ihrer Schwangerschaft für die Studie gewinnen. In jedem folgenden Trimenon, also insgesamt dreimal während der gesamten Schwangerschaft, sind die werdenden Mütter und das Ungeborene untersucht worden. Neben Ultraschalldiagnostik und der Auswertung biologischer Proben sind eventuelle medizinische Komplikationen erfasst worden, ebenso das psychische Wohlbefinden der werdenden Mütter. Innerhalb des ersten Monats nach der Geburt sind die Gehirne der Kinder während des natürlichen Schlafes mittels Magnetresonanztomographie untersucht worden. Im Alter von 24 Monaten folgte anhand spielerischer Übungen die Ermittlung der Impulskontrolle der Kinder.
„Wir haben festgestellt, dass bei erhöhten Interleukin-6-Konzentrationen nicht nur neonatale Veränderungen der Amygdala auftraten. Im weiteren Verlauf hat sich gezeigt, dass diese Veränderungen mit einer geringeren Fähigkeit zur Impulskontrolle der jeweiligen Kinder im Alter von zwei Jahren verbunden waren“, erklärt Prof. Buß. „Wir schließen daraus auf einen Zusammenhang zwischen erhöhten mütterlichen Entzündungswerten und einem erhöhten Risiko für psychiatrische Erkrankungen, die von einer mangelnden Impulskontrolle begleitet werden.“ Aus dem Tiermodell ist bereits bekannt, dass Infektionen und Entzündungen bei trächtigen Tieren zu Veränderungen der Gehirnentwicklung ihrer Nachkommen sowie zu Verhaltensänderungen führen. Auch epidemiologische Studien untermauern die aktuellen Studienergebnisse. Sie weisen darauf hin, dass mütterliche Infektionen und andere klinische Phänotypen, die mit erhöhten Interleukin-6-Konzentrationen einhergehen, wie beispielsweise Übergewicht, während der Schwangerschaft das Risiko für psychiatrische Krankheiten, wie Schizophrenie und Autismus, erhöhen können.
Institut für Medizinische Psychologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
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