Neue Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen stressinduzierter Hirnaktivität und Erkrankungsschwere
05.12.2016
Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) haben den Zusammenhang zwischen Stress und der Aktivität des Gehirns bei Multipler Sklerose untersucht. Sie zeigen, dass sowohl motorische Beeinträchtigungen als auch ein Verlust an Hirnsubstanz die Reaktion des Gehirns auf Stressreize widerspiegeln. Die Befunde könnten eine Erklärung für einen Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und dem Fortschreiten von Multipler Sklerose liefern, der bereits in früheren Studien vermutet wurde. Die aktuelle Arbeit ist in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences* erschienen.
Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie untersuchte Dr. Martin Weygandt, Wissenschaftler am NeuroCure Clinical Research Center der Charité, gemeinsam mit Kollegen die Hirnaktivität von 36 an Multipler Sklerose (MS) erkrankten Patienten und 21 gesunden Kontrollprobanden. Während der Untersuchung wurden die Teilnehmer der Studie mildem psychologischem Stress ausgesetzt. Ihre Aufgabe bestand darin, anspruchsvolle Kopfrechenaufgaben durchzuführen, für die sie mit Schulnoten bewertet wurden. Anschließend wurde die Hirnaktivität zu den klinischen Krankheitssymptomen und zum Volumen der Hirnsubsubstanz der Studienteilnehmer in Beziehung gesetzt.
Dabei zeigte sich ein Zusammenhang zwischen stressbedingter Aktivität in bestimmten Gehirnregionen einerseits und dem Verlust an Hirnvolumen (Hirnatrophie) sowie der motorischen und kognitiven Beeinträchtigung der Patienten andererseits. Interessanterweise zeigte sich in der gleichen Hirnregion auch bei gesunden Studienteilnehmern eine Verknüpfung zwischen dem Hirnvolumen und stressbedingter Aktivität des Gehirns. „Unsere Daten legen nahe, dass sich der Zusammenhang von reduziertem Hirnvolumen und stressbedingter Hirnaktivität bei Patienten nicht ausschließlich aus einer gesteigerten Stresssensitivität als Folge der Erkrankung herleiten lässt“, erklärt Dr. Weygandt die Ergebnisse.
Für ein tiefergehendes Verständnis der gefundenen Zusammenhänge wollen die Forscher nun Verlaufsstudien durchführen. „Nur Langzeitstudien werden genauere Hinweise darüber liefern können, ob psychischer Stress tatsächlich ursächlich an neurodegenerativen Prozessen der MS beteiligt ist“, erklärt Prof. Dr. Friedemann Paul vom NeuroCure Clinical Research Center. „Hier erhoffen wir uns außerdem Erkenntnisse über die mögliche Eignung neuronaler Stressresponsivität als prognostischer Marker für den MS-Erkrankungsverlauf“.
Charité - Universitätsmedizin, Berlin
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