Neue Hoffnung im Kampf gegen Immunkrankheiten
18.07.2011
Forscher identifizieren umprogrammierte Helferzellen im Darm
Eine bestimmte Art von Immunzellen, die im Darm eine neue Funktion annehmen kann, stellt sich als effektiver Helfer im Kampf gegen Autoimmunkrankheiten heraus. Diese Entdeckung machten Forscher des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin, ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft, des Exzellenzclusters NeuroCure, und der Yale University School of Medicine, welche sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature* präsentieren.
Verschiedene T-Helferzellen unterstützen das menschliche Immunsystem. Eine davon ist die Th17-Zelle, die erst vor wenigen Jahren entdeckt wurde. Bisher konnten sie nicht näher charakterisiert werden. Bekannt ist aber, dass diese Zellen äußerst aktiv sind, was sie zu nützlichen Helfern im Kampf gegen Bakterien und Viren macht. Ist diese Aktivität aber gegen den eigenen Körper gerichtet, wie bei Autoimmunkrankheiten, kann es gefährlich werden.
Bei Autoimmunkrankheiten, wie beispielsweise Multiple Sklerose oder Rheuma, werden Körperzellen als vermeintliche Fremdkörper identifiziert und angegriffen. Dieses Fehlverhalten kann zu heftigen Entzündungen führen und die davon betroffenen Organe erheblich schädigen. Eine Heilung ist deshalb oft schwierig, da das komplette Immunsystem des Betroffenen blockiert werden müsste, dadurch aber auch schutzlos gegen Krankheitserreger ist.
Eine vielversprechende Entdeckung machte nun ein Forscherteam um den Neuroimmunologen Enric Esplugues vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin und Exzellenzcluster NeuroCure. Esplugues untersucht in seiner Arbeitsgruppe die zellularen und molekularen Grundlagen, die zur Entstehung und Heilung entzündlicher Krankheiten führen.
In seiner aktuellen Studie beschäftigte sich das Forscherteam näher mit den Helferzellen Th-17, die für die Produktion eines entzündungsauslösenden Proteins verantwortlich sind. Die besondere Eigenschaft, dass die Zellen im Falle von auftretenden Entzündungen Immunzellen abrufen können und so die Zerstörung des Krankheitserregers im Körper beschleunigen, erweckte das besondere Interesse der Forscher.
„Was diese Entdeckung so interessant macht, ist, dass wir zwar viel über die Entwicklung dieser Zellen, nichts aber über die Mechanismen wussten und nutzen konnten, um Autoimmunkrankheiten zu kontrollieren,“ so Enric Esplugues.
In seiner Studie fand das Team die Antwort, wie und wo diese „gefährlichen“ Zellen kontrolliert werden können. Sie konnten zeigen, dass der Dünndarm dabei eine wesentliche Rolle spielt . Während einige Zellen dort abgebaut werden, nehmen die Helferzellen Charaktereigenschaften an, die ungewollte Immunreaktionen stoppen.
Die Forscher waren fasziniert zu sehen, dass die TH17-Zellen im Darm „umprogrammiert“ werden können, sie drastisch ihre Funktion ändern und so zu effektiven Helfern bei Immunkrankheiten werden.
„Dies ist absolut neu für uns und sehr interessant, da sie die Aktivität der überschüssigen, entzündlichen Reaktionen des Immunsystems hemmen, die durch Autoimmunkrankheiten ausgelöst werden. Diese Ergebnisse lassen annehmen, dass es möglich sein könnte, lebensbedrohliche Immunreaktionen - verursacht durch eine Überaktivität der TH17-Zellen - zu vermeiden, indem die Zellen umgeleitet und dadurch im Darm kontrolliert werden können,“ erklärt der Wissenschaftler.
Dies weckt Hoffnungen, dass hiermit ein erster Schritt für eine mögliche Heilung von Autoimmunkrankheiten entdeckt wurde. Die Forscher hoffen, in Zukunft Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis und Multiple Sklerose eindämmen zu können und mögliche neue Therapien zu entwickeln.
* Esplugues E*#, Huber S*, Gagliani N, Hauser AE, Town T, Wan YY, O’Connor Jr. W, Rongvaux A, Van Rooijen N, Haberman AM, Iwakura Y, Kuchroo VK, Kolls JK, Bluestone JA, Herold KC, Flavell RA#. Control of TH17 cells occurs in the Small Intestine. Nature 2011 (Epub 2011/07/17) (*co-first authors, #co-directed the project)