Neurowissenschaftler entwickeln einen lichtempfindlichen „Ausschalter“ für biologische Prozesse

07.11.2018

Die Optogenetik kombiniert genetische und optische Methoden und ermöglicht gezielt biologische Prozesse in einzelnen Zellen durch Licht zu beeinflussen. Nun ist es einem Forschungskonsortium unter Beteiligung von Wissenschaftler des Exzellenzclusters NeuroCure gelungen ein neues optogenetisches Werkzeug zu generieren. Neu entwickelte Moleküle ermöglichen es mittels Licht die Aktivität von Herzmuskeln und Nervenzellen für mehrere Sekunden zu unterdrücken. 

Für die Grundlagenforschung ist die Optogenetik von großer Bedeutung. Sie erlaubt Zelltyp-spezifische Aufgaben in gesundem Gewebe zu untersuchen. Die bisher zur Verfügung stehenden optogenetischen Methoden zum „Ausschalten“ der elektrischen Zellaktivität waren nicht ausreichend effektiv oder haben unerwünschte Nebeneffekte. Die nun entwickelte Methode ist ein Zwei-Komponenten-System. Es basiert auf der gleichzeitigen Expression eines photo-aktivierten Enzyms (PAC) und eines bakteriellen Kalium-Kanals (K). Liegen PAC und K gemeinsam vor (PAC-K), genügt eine Belichtung mit einem kurzen Blaulichtblitz, um die Aktivität von Herzmuskelzellen und Nervenzellen für mehrere Sekunden zu unterdrücken. Durch die PAC-K-Aktivierung können auch Bewegungsabläufe in Zebrafischen mit Licht angehalten werden.

Das Besondere an dem neuen optogenetischen System ist – neben der Funktion als „Aus-Schalter“ – seine ausgesprochen hohe Lichtempfindlichkeit. Nach einer Aktivierung des PAC-K-Systems durch wenige Photonen, bewirken Kalium-Ionen vermittelte Ströme eine Verschiebung des Membranpotentials in Richtung des natürlichen Ruhemembranpotentials der Zelle. Diese Art des Ausschaltens ist energetisch sinnvoll. Weniger natürliche Ionenströme lassen sich so vermeiden und unerwünschte Nebeneffekte können reduziert werden. 

In der Zukunft möchten die Wissenschaftler ihr neues Werkzeug zur Entwicklung von Behandlungskonzepten und zur Untersuchung fehlgeleiteter elektrischer Prozesse, zum Beispiel nach Herzinfarkt, verwenden. Darüber hinaus planen sie weitere Anwendungen zur Untersuchung neuronaler Netzwerke.
Die gemeinsamen Arbeit von Forschern der Humboldt-Universität zu Berlin, des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen in Berlin, der Charité Universitätsmedizin Berlin, der Universität Bonn und des caesar (Center of advanced european studies and research) in Bonn, der Universität Freiburg sowie des Max-Planck Instituts für Neurobiologie in Martinsried wurde am 5. November 2018 im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht (Bernal-Sierra et al. 2018).

Originalpublikation:
Bernal Sierra, Yinth Andrea, Benjamin R. Rost, Martin Pofahl, António Miguel Fernandes, Ramona A. Kopton, Sylvain Moser, Dominik Holtkamp, Nicola Masala, Prateep Beed, John J. Tukker, Silvia Oldani, Wolfgang Bönigk, Peter Kohl, Herwig Baier, Franziska Schneider-Warme, Peter Hegemann, Heinz Beck, Reinhard Seifert, and Dietmar Schmitz. "Potassium Channel-Based Optogenetic Silencing." Nat Commun 9, no. 1 (2018/11/05 2018): 4611. http://dx.doi.org/10.1038/s41467-018-07038-8

Kontakt:
Prof. Dr. Dietmar Schmitz
Exzellenzcluster NeuroCure
E-Mail: dietmar.schmitz@charite.de

 

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