Start des Einstein-Zentrums 3R für alternative Methoden in der biomedizinischen Forschung

16.06.2021

Die Einstein Stiftung Berlin hat das Einstein-Zentrum 3R für alternative Methoden in der biomedizinischen Forschung bewilligt. Das Zentrum startet nach einjähriger Vorbereitungsphase am 1. Juli und wird bis Ende 2026 mit rund 5,3 Millionen Euro von der Einstein Stiftung gefördert. Voraussetzung ist eine erfolgreiche Zwischenevaluation durch die Wissenschaftliche Kommission der Stiftung im Jahr 2024. Ziel des neuen Zentrums ist es, dazu beizutragen, dass Tierversuche in bestimmten Bereichen der biomedizinischen Forschung durch 3D-Gewebekulturen reduziert oder ersetzt werden können.   

Mit dem Einsatz von 3D-Gewebekulturen soll die Entwicklung von Therapiemethoden für menschliche Erkrankungen sowie die Übertragbarkeit von Laborergebnissen auf die Patienten verbessert und gleichzeitig der Tierschutz gestärkt werden. Die Gründung des Einstein-Zentrums 3R wurde von der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der Freien Universität Berlin (FU), der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) sowie der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) initiiert. Es entsteht in enger Kooperation mit dem Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und dem Robert Koch-Institut (RKI).  

Das 3R-Prinzip wurde von den Wissenschaftlern William Russell und Rex Burch entwickelt: Tierversuche sollen ersetzt (Replace), die Anzahl der Versuchstiere reduziert (Reduce) und die Belastung für Versuchstiere gemindert werden (Refine).  

„Tierversuche sind für die Weiterentwicklung der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten derzeit noch unersetzbar. Umso wichtiger ist es, gezielt an Alternativen zu forschen, diese zu entwickeln und in Forschung, Diagnostik und Therapie zunehmend zu nutzen“, betont Prof. Dr. Axel Radlach Pries, Dekan der Charité. Er fügt hinzu: „Innerhalb der Charité fördern wir über Charité 3R seit 2018 vielfältige Projekte in jedem der drei Bereiche Replace, Reduce und Refine und freuen uns deshalb sehr, dass mit dem Einstein-Zentrum 3R nun eine institutionenübergreifende Struktur geschaffen wird, die die Umsetzung des 3R-Prinzips und die Entwicklung von Alternativmethoden weiter verbessert und die berlinweite Vernetzung der Forschungsprojekte strukturell befördert. Charité 3R war an der Initiierung und Durchführung der Antragstellung maßgeblich beteiligt. Beide Initiativen ergänzen sich dabei hervorragend, um das 3R-Prinzip gemeinsam schneller und gezielter voranzubringen.“  

Die Forschungsaktivitäten des Einstein-Zentrum 3R konzentrieren sich auf 3D-Modelle aus menschlichen Gewebekulturen als Alternativen zu Tiermodellen. Es lassen sich sogenannte Organoide züchten, deren Strukturen und Funktionen den jeweiligen Organen ähneln. Auch 3D-Gewebedruck wird eingesetzt. Insgesamt werden im Einstein-Zentrum 3R sechs Forschungsprojekte zu den Organen Darm, Lunge, Herz, Hirn, Leber und der neuromuskulären Verbindung angesiedelt. Sie alle arbeiten mit menschlichen Zellen, wodurch artspezifische Unterschiede – die in der biomedizinischen Forschung häufig die Übertragbarkeit von Tierversuchen auf den Menschen beeinträchtigen – vermieden werden. Darüber hinaus zielen zwei Querschnittsprojekte auf eine Verbesserung der Forschungsqualität ab. Das Zentrum plant zudem die Ausbildungsinitiativen zu 3R in Berlin zu erweitern und die Öffentlichkeit über Alternativmethoden zu informieren. 

Das kollaborative Forschungsnetzwerk des Einstein-Zentrums 3R 
Die sechs Projekte des kollaborativen Forschungsnetzwerks arbeiten gemeinsam an der Weiterentwicklung von Organmodellen des menschlichen Körpers, die zusammen wesentliche Aspekte der menschlichen (Patho-)Physiologie abbilden. Ziel ist es, robuste Modelle zu schaffen, die laborübergreifend reproduzierbare Ergebnisse liefern. Zusätzlich zum Austausch innerhalb dieses Forschungsnetzwerks hat jede der einzelnen Projektgruppen bereits Kooperationen mit Arbeitsgruppen verschiedener Berliner Forschungseinrichtungen angestoßen, um die Nutzung der Modelle auszuweiten.   

Untersuchung des Einflusses von Raum und Zeit auf die Selbstorganisation intestinaler 3D Organoide zur Verbesserung der Standardisierung und Reproduzierbarkeit
Das Projekt von Privatdozent Dr. Michael Sigal (Charité), Prof. Dr. Britta Siegmund (Charité) und Prof. Jens Kurreck (TU Berlin) untersucht spezifische Parameter, die die Ausbildung und das Wachstum der Darm-Organoide beeinflussen.   

Engineering von menschlichem Herzgewebe für Funktionsdiagnostik, Medikamententests und Therapie 
Im Projekt von Prof. Michael Gotthardt (MDC/Charité), Dr. Sebastian Diecke (MDC/BIH) und Prof. Burkert Pieske (Charité) arbeiten Kliniker und Grundlagenwissenschaftler zusammen. Ihr Ziel ist es, den Übergang vom Labor zum Krankenbett mit verbesserten Krankheitsmodellen zu erleichtern, indem sie wesentliche Aspekte des Krankheitsbilds quasi in der Petrischale nachbilden. Dies fördert nicht nur die Anwendung des 3R-Prinzips, sondern kann auch die klinische Versorgung und Patienteneinteilung für klinische Studien verbessern, indem es möglich wird, vorab zu testen, ob eine Therapie wirksam ist.   

Modellierung organübergreifende Funktionsstörung unter Verwendung menschlicher Hirnorganoide zur Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen
Dr. Philipp Mergenthaler (Charité/BIH), Dr. Harald Stachelscheid (Charité/BIH) und Prof. Dr. Andreas Meisel (Charité) untersuchen in ihrem Projekt insbesondere den Einfluss von Mechanismen des Immunsystems auf das Gehirn bei Schlaganfall.   

Humane Lungenorganoide für die biomedizinische Forschung als Alternative zu Tiermodellen
Das Projekt von Dr. Katja Hönzke (Charité) und Dr. Mirjana Kessler (Charité) strebt eine Weiterentwicklung des Lungenmodells an, das derzeit vor allem aus Epithelzellen besteht. Der Ausbau des Modells mit weiteren Zelltypen ist von großer Bedeutung, um Funktionseinheiten des Lungengewebes nachzubilden und so die Erforschung von Lungenerkrankungen zu verbessern.    

Verbesserung der Reifung von komplexen humanen neuromuskulären Organoiden für personalisierte Medizinansätze
Zwei oder mehr verschiedene Gewebe in einem einzigen funktionalen Organoid zu züchten, ist eine besondere Herausforderung, die das Gouti-Lab mit der Erzeugung neuromuskulärer Organoide gemeistert hat. Solche Organoide ermöglichen die Untersuchung von neuromuskulären Erkrankungen – hier ist mehr als ein Gewebe betroffen – wie beispielsweise Myasthenia gravis. Das aktuelle Projekt von Dr. Mina Gouti (MDC), Prof. Dr. Carmen Birchmeier (MDC) und Prof. Dr. Nikolaus Rajewsky (MDC/BIMSB) zielt in erster Linie darauf ab, die Reifung des Organoids zu verbessern und zu beschleunigen.   

3D-Bioprinting von humanen Organmodellen
Das methodenzentrierte Projekt von Prof. Jens Kurreck (TU Berlin), Dr. Johanna Berg (TU Berlin) und Prof. Dr. Albert Braeuning (BfR) bietet innerhalb des Einstein-Zentrums die Möglichkeit, humane Organmodelle aus mehreren Zelltypen mit hoher räumlicher Auflösung herzustellen. Zudem wird das Projekt ein weiterentwickeltes Lebermodell aus mehreren Zelltypen in einer biologisch relevanten Anordnung drucken.

Quelle: Pressemitteilung der Charité

Webseite: Einstein-Zentrum 3R

 

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