Wissenschaftler entschlüsseln weiteren Mechanismus zur Gedächtnisbildung

06.05.2020

Eine Forschungsgruppe um Professor Dietmar Schmitz der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat herausgefunden welche Bereiche bei der Übertragung von gedächtnis-assoziierter Information in das Langzeitgedächtnis beteiligt sind. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachmagazin Nature Communications* erschienen.

Das menschliche Gehirn nimmt ständig wichtige Informationen und Daten auf, die wir über die Jahre sammeln und dort abspeichern. Gelerntes rufen wir immer wieder ab.

Der Gehirnteil, der für diese wichtigen Prozesse wie dem Lernen und der Gedächtnisbildung verantwortlich ist, heißt Hippocampus. Informationen, die im Langzeitgedächtnis im Bereich des Neocortex gespeichert werden finden ihren Weg über Strukturen im Schläfenlappen – insbesondere den Hippocampus. Diese Funktion des Hippocampus ist an Rhythmen, sogenannte Oszillationen, gekoppelt.

Das Team um Prof. Dr. Dietmar Schmitz, Direktor des Neurowissenschaftlichen Forschungszentrums an der Charité (NWFZ) und Sprecher des Exzellenzclusters NeuroCure hat herausgefunden, dass der Transfer von gedächtnis-assoziierter Information vom Hippocampus in den Neokortex durch ein bestimmtes kortikales Areal, nämlich dem retrospleniale Kortex vermittelt wird. Dies geschieht während hochfrequenter Oszillationen (die so genannten Sharp-Wave Ripple Komplexe). Hierbei sind spezifische Gruppen von Nervenzellen in beiden Strukturen involviert. Die Befunde weisen darauf hin, dass diese physiologisch-definierten Nervenzellen eine wichtige Rolle in der Gedächtnisspeicherung spielen.

Die Wissenschaftler*innen gingen der Frage nach, wie sich diese Sharp-Wave Ripple Komplexe aus dem Hippocampus in die Hirnrinde ausbreiten. Dabei untersuchten sie elektrische Ströme in einzelnen Zellen im Hippocampus und retrosplenialem Kortex, die während der Ripple-Oszillation auftreten. Hier fanden sie heraus, dass diese Interaktion topografisch organisiert und schichtspezifisch stattfindet. Darüber hinaus zeigten sie, dass die Ausbreitung hippocampaler Aktivität in den retrosplenialen Kortex durch eine bestimmte neuronale Subpopulation hippocampaler Zellen vermittelt wird, die den vesikulären Glutamat-Transporter 2 exprimiert (sogenannte ‚burst-firing‘ Zellen im Subikulum). Die spezifische Aktivierung dieser Zellen kann Ripple-Oszillationen im retrosplenialen Kortex induzieren, während Ausschaltung die Aktivität der Ripple-Äquivalente im retrosplenialen Kortex stark reduziert.

Diese Ergebnisse liefern ein besseres Verständnis des hippocampal-kortikalen Zusammenspiels sowie der Übertragung von kurzzeitig im Hippocampus gespeicherter Informationen in den Neokortex.

Obwohl es sich hier um Grundlagenforschung handelt, sind beide untersuchte Regionen stark in diversen Gedächtnisstörungen wie Amnesie oder Alzheimer-Erkrankung involviert. „Daher können bessere Kenntnisse dieser Regionen und Netzwerke unser Verständnis von Gedächtnisverlust verbessern“ berichtet Noam Nitzan, Neurowissenschaftler an der Charité und Erstautor der Studie.

Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen, wie diese gedächtnis-assoziierten Signale sich von dem retrosplenialen Kortex in die restliche Hirnrinde ausbreiten, also in all die Areale, die mit dieser Region verbunden sind.

 

*Originalpublikation: https://www.nature.com/articles/s41467-020-15787-8

Kontakt:
Noam Nitzan
Schmitz Lab
Charité-Universitätsmedizin
Berlin Neurowissenschaftliches Forschungszentrum
10117 Berlin
Germany
Email: noam.nitzam(at)charite.de

http://schmitz.neurocure.de

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